Lauf-ABC mit Kristin Liepold

Ein aktiver Fußaufsatz, ein dynamischer Abdruck und ein bewusster Armeinsatz – diese Elemente eines effizienten Laufstils können durch gezielte Technikübungen hervorgehoben und ins Bewegungsschema integriert werden. Nach einem theoretischen Überblick über die Motorik wird Kristin Liepold Übungen vorstellen, die helfen können, den Laufstil effektiver zu gestalten. 


Aber was genau ist eigentlich Lernen?

Um das Thema Lauf-ABC und motorisches Lernen zu behandeln, beginnen wir mit der Frage, was Lernen überhaupt bedeutet. Diese Frage scheint fast schon rhetorisch. Eine mögliche Definition könnte lauten, dass Lernen ein Prozess der Aneignung von Fähigkeiten ist. Aber wie funktioniert dieser Prozess genau? Man erwirbt eine Fähigkeit, die vorher in dieser Form nicht vorhanden war. Ein Athlet kann also durch gezielte Übungen effizienter laufen. Faszinierend, oder?

„Steter Tropfen höhlt den Stein“

Diese Redewendung wird oft verwendet, wenn es um das Erlernen von Bewegungen geht. Die Aufgabe unseres motorischen Systems besteht darin, Bewegung zu steuern und auf Umweltreize oder gestellte Aufgaben zu reagieren. Für die Steuerung und Kontrolle von Bewegungen gibt es zahlreiche Erklärungsansätze. Es ist ein äußerst spannendes Thema, wenn man bedenkt, wie alltäglich Bewegung für uns ist. Dabei sind die Strukturen und Theorien der Motorikforschung komplex und vielfältig. 

Ist der Mensch also eine Maschine?

Es gibt Ansätze, die den Menschen mit einem Computer vergleichen. Dabei wird ein ideales Technikmodell als Input in das System gegeben, und der Sportler kann die perfekte Bewegung ausführen.

Verbesserung von Bewegungsabläufen

In der Praxis zeigt sich, dass sich die Bewegung bei veränderten Bedingungen nicht mehr wie gewohnt ausführt oder die angeblich biomechanisch perfekte Bewegung sogar zu einem Leistungsverlust führen kann. Der Mensch ist anfällig für äußere Störungen und funktioniert nicht wie eine Maschine, die immer gleich arbeitet. Wir existieren nicht nur, sondern leben und erleben.
Unabhängig von theoretischem Wissen können gezielte Übungen die Effizienz der Bewegung steigern. Ein entscheidender Faktor ist die Variation von Situationen und Bewegungsmustern. Diese neuen Reize fordern den Körper heraus und er reagiert darauf. Das Prinzip ähnelt der Variation von Reizen und Intensitäten im Sporttraining. Ein Training, das sich immer nur auf die Grundlagen konzentriert, führt langfristig zu einer Stagnation. Ebenso bringt es wenig, eine Übung aus dem Lauf-ABC perfekt zu beherrschen, wenn sich dadurch der eigentliche Laufstil oder die persönliche Bestzeit nicht verbessert. Vielmehr zeigt sich, dass Erfahrung und Lernprozesse sich gegenseitig fördern können und positive Effekte erzeugen.

   

Hinweise zu Übungsvorschlägen 1

Es gibt unzählige Variationen beim Lernen, Üben und Trainieren. Einige Aufgaben, die im Folgenden vorgestellt werden, können sich stark in den Bewegungsabläufen unterscheiden. Denkt dabei an die Einführung von „Leicht“ und „Schwer“. Probiert die Übungen aus und bewertet subjektiv, welche euch leichter fallen. Vielleicht fällt es euch als Neueinsteiger leichter, bestimmte Aufgaben zu bewältigen, während ein Fortgeschrittener diese mit spezifischer Erfahrung ebenfalls elegant ausführt.

Hinweise zu Übungsvorschlägen 2

Um möglichst viel von der Umgebung wahrzunehmen, ist es sinnvoll, die Übungen mit leichtem Wettkampfschuhwerk oder auch barfuß durchzuführen. Bei kühleren Temperaturen bieten Neoprenschuhe eine gute Alternative, um die Wahrnehmung zu maximieren. Auch variierende Untergründe können das Bewusstsein für den Körper schulen. Allerdings sollte die Vermeidung von Verletzungen Vorrang vor der Variation des Untergrundes haben.

So lernt es sich leichter

Technikorientierte Übungen sollten ohne große konditionelle Vorbelastungen durchgeführt werden, da zu starke muskuläre oder nervliche Ermüdung die gewünschten Effekte beeinträchtigen kann. Dies lässt sich mit der geistigen Leistungsfähigkeit im Alltag vergleichen: Nach vielen Stunden Arbeit wird es schwieriger, sich zu konzentrieren. Vor der ersten Übung sollte eine Aufwärmphase von 15-20 Minuten eingelegt werden, um die Körpertemperatur zu steigern. Die eigentliche Übungszeit sollte je nach individuellem Zustand zwischen wenigen Minuten und maximal einer Viertelstunde liegen. Danach lässt die Konzentration normalerweise nach, und es fällt schwerer, sich auf die Wahrnehmung und die Ausführung der Bewegungen zu fokussieren. Jede Übung kann über eine Strecke von 5 bis 30 Metern durchgeführt werden.

Sehen und gesehen werden

Ein abschließender Tipp vor dem praktischen Start: Wenn ihr die Übungen zu zweit macht, könnt ihr zusätzliche Eindrücke gewinnen und euch gegenseitig unterstützen. Eine weitere Möglichkeit ist die Videoselbstbeobachtung, indem ihr eine Kamera aufstellt oder eure Lauftechnik während einer Leistungsdiagnostik aufzeichnet, um die Bewegung aus einer externen Perspektive zu bewerten.

Fersen- und Zehenlauf
Die Bezeichnungen der Übungen beschreiben bereits genau, wie sie ausgeführt werden. Beim Fersenlauf wird auf der Ferse aufgesetzt, ohne abzurollen, und die Zehen werden nach oben gezogen. Beim Zehenlauf bleiben Hüfte, Knie- und Sprunggelenk gestreckt. Eine Variante für eine aktivere Fußgelenksarbeit ist die aktive Streckung aus dem Sprunggelenk, während Knie und Hüfte gestreckt bleiben. Hier wird das starre Sprunggelenk gegen den Abdruck aus dem Sprunggelenk variiert.

Außen- und Innenkantenlauf
Bei diesen Übungen sind O- oder X-Beine gestattet. Beim Außenkantenlauf bildet die äußere Fußkante die Kontaktfläche zum Boden. Die Übung sollte langsam und vorzugsweise barfuß ausgeführt werden. Zudem sollte die große Zehe nach oben gezogen werden, um eine ungewollte Überpronation und damit ein Umknicken zu verhindern. Beim Innenkantenlauf werden die Schritte etwas breiter gewählt und der Fuß rollt über die Innenkante ab. Auch diese Übung empfiehlt sich barfuß. Beide Varianten fördern die Stabilisation des Sprunggelenks und können als effektive Verletzungsprophylaxe dienen.

Hüftbeuger-Lauf
Beim Laufen ziehst du abwechselnd die Knie möglichst hoch in Richtung Brust. Dabei bleibst du aufrecht und aktivierst deine Hüftbeuger und Oberschenkelmuskulatur.

Sprungübungen
Die Ausgangsposition ist der Stand auf einem Bein, wobei der Sprung nach vorn erfolgen kann, unterstützt durch eine gegengleiche Armbewegung. Die Landung sollte mit leicht gebeugtem Knie auf dem Vorfuß erfolgen. Der Sprung wird bis zur vollständigen Stabilisation ausbalanciert. Eine Abwandlung dieser Übung kann darin bestehen, von einem Bein auf das andere zu springen. Auch seitliche und rückwärts gerichtete Sprünge mit unterschiedlichen Beinarbeits-Variationen sind möglich und bieten eine gute Möglichkeit, für Abwechslung zu sorgen.

Anfersen
Das Anfersen hat positiven Einfluss auf die Pendelbewegung, da der Unterschenkel in der Schwungphase stärker angewinkelt wird und sich der Hebel verkürzt. Um diesen Effekt zu betonen, können die Arme fixiert werden, sodass sie sich nicht mitbewegen. Die Hüfte bleibt gestreckt, die Oberschenkel sind senkrecht zum Boden, und die Arbeit erfolgt nur aus dem Unterschenkel. Während der Übung dürfen die Fersen das Gesäß berühren. Eine hohe Frequenz ist nicht das Ziel. Abwandlungen sind einseitiges Anfersen, bei dem das zweite Bein inaktiv nachgezogen wird, oder das Anfersen auf jeden dritten oder fünften Schritt während eines lockeren Laufs. Achte darauf, dass die Unterschenkel beim Anfersen nicht nach außen rotieren. Beim Anfersen im Wechsel (Butt Kicks) versuchst du beim Laufen, mit den Fersen jedes Mal das Gesäß zu berühren. Die Bewegung erfolgt in einem zügigen Wechsel. Dies dient zur Aktivierung der Oberschenkelrückseite (Hamstrings) und Verbesserung der Lauftechnik.

Step- und Prellhopser
Bei Stephopsern wird die Bewegung sowohl nach vorn als auch zur Seite ausgeführt. Dabei führt das Knie die Bewegung, und der Fuß wird nicht aktiv nach vorn geschoben, sondern pendelt am Knie mit. Eine leichte Außenrotation der Hüfte unterstützt die Seitwärtsbewegung. Ziel ist es, das erste Bein nach vorn und außen zu führen und das zweite Bein nachzusetzen. Danach führt das nachgesetzte Bein die Bewegung nach vorn und außen, und das andere Bein folgt. Die Geschwindigkeit und der Bewegungsradius können variiert werden, um die Übung abwechslungsreich zu gestalten. Prellhopser eignen sich hervorragend, um das Gefühl für Hüftstreckung sowie die Dynamik des Fußaufsatzes und Abdrucks zu fördern. Die Ausgangsposition ist dabei das nebeneinander stehende Bein. Der kräftige Abdruck und der Kniehub erfolgen abwechselnd. Die Landung findet mit beiden Füßen gleichzeitig statt. Frequenz und Abdruckhöhe können variiert werden, wodurch die Bewegung entweder schnell und flach oder kräftig und hoch wird.

Seitliches Beinheben
Stelle dich aufrecht hin, hebe ein Bein seitlich an und senke es wieder ab. Dabei bleibst du aufrecht und vermeidest, dass dein Oberkörper kippt.

Side-Steps
Für Side-Steps können die Arme entweder auf die Hüften gestützt oder locker neben dem Körper hängen gelassen werden. Die Bewegung erfolgt seitlich, wobei ein Bein nach vorn gesetzt und das andere nachgezogen wird. Die Übung kann einseitig, im ständigen Wechsel der Seiten oder im Wechsel auf zwei Seiten durchgeführt werden. Beim Wechsel der Seiten kann auch eine Rotation um die Körperlängsachse integriert werden.


 

Der Storch im Salat
Diese Übung ermöglicht es, die maximalen Bewegungsamplituden besser wahrzunehmen und wird in Zeitlupen ausgeführt. Die Hüfte wird vollständig gestreckt, und der Oberschenkel wird parallel zum Boden angehoben. Der Fuß setzt aktiv auf, nachdem der Unterschenkel nach vorn geführt wurde. Zusätzlich kann der Körper über einen starken Zug des Standbeins nach vorn gezogen werden.

Fußgelenksarbeit und Skippings
Ziel dieser Übung ist es, ein besseres Gefühl für die Abrollbewegung des Fußes zu entwickeln und die Abdruckmöglichkeiten aus dem Sprunggelenk zu spüren. Ein Fuß bleibt auf dem Boden, wobei die Ferse nur leicht den Untergrund berührt und das Knie gestreckt ist. Der andere Fuß wird im Sprunggelenk maximal gestreckt, sodass im Idealfall die gesamte Fußfläche von hinten sichtbar wird, während das Knie leicht gebeugt bleibt. Die Arme bewegen sich gegengleich, um einen flüssigen Bewegungsablauf zu fördern. Die Zehen bleiben nahezu am Boden. Die Fußgelenksarbeit kann durch ein aktives Anheben des Kniegelenks erweitert werden, wodurch sie zu Skippings oder Kniehebelauf wird. Der Oberschenkel wird so weit angehoben, dass er parallel zum Boden steht. Achte auf eine aktive Armbewegung und eine vollständige Streckung von Knie und Hüfte. Vermeide es, mit dem Oberkörper nach hinten zu kippen. Bei der Variation Kniehebelauf mit Rotation ziehst du beim Laufen abwechselnd ein Knie nach oben, während du gleichzeitig den Oberkörper in die entgegengesetzte Richtung drehst. Die Bewegung sollte fließend und mit einer kontrollierten Rotation erfolgen.

 

Schrittsprünge und Hopserlauf
Bei diesen Übungen nimmt die Geschwindigkeit zu, wodurch eine eigene Dynamik entsteht. Athleten mit schwacher Hüftstabilität neigen dazu, im Rumpf stark einzuknicken, was darauf hinweist, dass diese Region durch Kräftigungsübungen gestärkt werden sollte. Ein kräftiger Abdruck führt zu einer langen Flugphase, nach der sofort der nächste Abdruck erfolgt. Wichtige Beobachtungspunkte sind die Streckung im Sprung- und Hüftgelenk des abdrückenden Beins sowie ein etwa 90° Winkel im vorderen Knie bei der Landung. Die Arme können aktiv eingesetzt werden. Beim Hopserlauf erfolgt der Abdruck mit einem Bein, das sich vollständig streckt, während das andere Bein mit einem kräftigen Kniehub angehoben wird. Die Landung erfolgt mit dem Bein, mit dem der Abdruck gemacht wurde, und der Wechsel auf den nächsten Schritt folgt direkt. Durch die Höhe des Absprungs kann die Kraft des Abdrucks variiert werden.


Arm-Lauf-Übung
Beim Laufen führst du deine Arme aktiv und dynamisch in alle Richtungen, zum Beispiel nach oben, seitlich oder in einer Kreismotion. Achte darauf, dass die Beine weiterhin die Laufbewegung ausführen.

Kontrastlernen – Rückwärtslaufen, Vor- und Rücklage
Viele der beschriebenen Übungen können auch rückwärts durchgeführt werden, was neue Perspektiven und Erfahrungen bietet. Der Rückwärtslauf selbst kann dabei interessante Erkenntnisse liefern. Es ist zudem möglich, gezielt Fehler in der Lauftechnik zu erzeugen, um zu erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man einige Meter in starker Vor- oder Rücklage läuft. Wenn der Fokus auf der Hüftstreckung liegt, kann es hilfreich sein, die Übung in einer Position zu beginnen, bei der man auf den Zehenspitzen steht und jeweils das Sprung-, Knie- und Hüftgelenk maximal gestreckt sind. Dann kann die Übung starten.


Fazit

Es lohnt sich, von alten Bewegungsmustern loszulassen und neue Reize auszuprobieren. Die Vielfalt an Übungen und die Variation von Situationen sind wichtige Faktoren, die positive Auswirkungen auf die Lauftechnik haben können. Entscheidend ist dabei: Das Lauf-ABC sollte nicht nur mechanisch ausgeführt werden, sondern es ist wichtig, Veränderungen in der Körperhaltung und den Bewegungen bewusst zu spüren.

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