Der Barkley Marathons ist ein außergewöhnliches und mysteriöses Event, das selbst die erfahrensten Ultraläufer vor enorme Herausforderungen stellt. Seit seiner Gründung 1986 von Gary "Lazarus Lake" Cantrell zieht dieser Marathon jedes Jahr Läufer in den Frozen Head State Park in Tennessee, USA – und lässt nur die wenigsten das Ziel erreichen.
Was den Barkley Marathons so einzigartig macht, ist nicht nur seine extreme Härte, sondern auch die geheimnisvolle Atmosphäre, die den Lauf umgibt. Mit seinen nahezu unerreichbaren Anforderungen hat sich der Barkley Marathons als eine Legende unter den Ultraläufen etabliert.
In unserer Serie werfen wir einen Blick auf die faszinierendsten Fakten und Mythen rund um den Barkley Marathons. Natürlich widmen wir uns auch der legendären Lichtgestalt Gary "Lazarus Lake" Cantrell.
Der Ursprung
Der Barkley Marathons wurde von Gary Cantrell inspiriert, nachdem er von einem ungewöhnlichen Ereignis in der Geschichte von James Earl Ray gehört hatte, dem Mann, der Martin Luther King Jr. ermordete. Ray versuchte, 1977 aus dem Gefängnis in Tennessee zu fliehen. Während seiner Flucht lief er 55 Kilometer durch den wilden Wald, bevor er gefasst wurde. Cantrell dachte, dass dies ein interessantes Konzept für einen extrem herausfordernden Lauf wäre.
Die Strecke
Der Barkley Marathons besteht aus fünf Runden, jede etwa 20 Meilen lang, was offiziell rund 100 Meilen ergibt. In Wirklichkeit ist die Strecke jedoch deutlich länger: Das anspruchsvolle, bergige Gelände, das kaum markierte Wege bietet, und die ständige Orientierungslosigkeit führen dazu, dass die Teilnehmer oft mehr als 130 Meilen (ca. 210 km) zurücklegen. Die Strecke ist nicht markiert, und die Läufer müssen ihre eigene Route finden, wobei sie auf Karten und Kompasse angewiesen sind, um sich zurechtzufinden. Das tückische Terrain mit seinen ständigen Auf- und Abwärtsbewegungen macht die Navigation zu einer extremen Herausforderung. Die Läufer erhalten keine Versorgung, abgesehen von zwei Stationen, an denen Wasser bereitgestellt wird.
Die Runde beginnt und endet am gelben Tor des Parkplatzes, auf dem die Fahrzeuge der Teilnehmer und Helfer abgestellt sind. Teilnehmer des 100-Meilen-Rennens absolvieren die Runde fünf Mal. Dabei müssen die Runden 3 und 4 in Gegenrichtung zu den ersten beiden Runden gelaufen werden. Der erstplatzierte Läufer entscheidet, in welcher Richtung er die fünfte Runde läuft, während die nachfolgenden Teilnehmer abwechselnd die Richtung wechseln.
Der Zeitrahmen
Irgendwann zwischen Mitternacht und Mittag des Starttages wird das Rennen eröffnet. Der Klang eines Muschelhorns signalisiert den campierenden Teilnehmern, dass es bald losgeht. Eine Stunde später entzündet sich an einer gelben Schranke die "Start-Zigarette", und das Rennen beginnt. Die Läufer müssen den gesamten Kurs in weniger als 60 Stunden absolvieren – eine gewaltige Herausforderung. Dabei wird die Zeit und Strecke streng überwacht, da Cantrell die Teilnehmer regelmäßig kontrolliert, um sicherzustellen, dass niemand schummelt.
Die "Bücher"
Um sicherzustellen, dass die Läufer tatsächlich die gesamte Strecke zurückgelegt haben, versteckt Cantrell in verschiedenen Teilen des Waldes Bücher, deren Seiten nummeriert sind. Die Teilnehmer müssen aus jedem Buch eine Seite herausreißen und mitbringen, um zu beweisen, dass sie den richtigen Weg genommen haben. Auf der Rundstrecke gibt es zwischen 9 und 14 Bücher, die angesteuert werden müssen. Jeder Läufer erhält zu Beginn jeder Runde eine neue Startnummer, und er muss die Seite herausreißen, die seiner Nummer entspricht. Diese Seiten dienen als Nachweis, dass die geforderte Strecke absolviert wurde. Die Buchtitel sind oft Anspielungen mit schwarzem Humor und beinhalten häufig Themen von Tod und Dunkelheit, wie zum Beispiel „Death Walks the Woods“, „Heart of Darkness“ oder „A Time to Die“ im Jahr 2013.
Wenn ein Läufer eine Seite verliert, wird er disqualifiziert. Bis 2023 hatte Cantrell, aufgrund gesundheitlicher Probleme, nur noch ein einziges Buch für das Event versteckt, nachdem er in den Jahren zuvor alle 13 Bücher entlang der Strecke platziert hatte. In jenem Jahr entfernte ein Tageswanderer eines der Bücher, was zu einiger Verwirrung führte.
Die geringe Erfolgsquote
Die Geschichte des Barkley Marathons ist von einer erstaunlich niedrigen Erfolgsquote geprägt. Tatsächlich haben seit seiner Gründung nur eine Handvoll Läufer den Lauf in seiner vollen Distanz erfolgreich abgeschlossen. Der erste Sieger war 1986 Gary Cantrell selbst, der das Rennen in einer Zeit von 59 Stunden und 30 Minuten absolvierte. Der erste männliche Sieger, der nicht Gary Cantrell war, war 2001 Mark Williams, der das Rennen in 58 Stunden und 17 Minuten beendete. Die erste Siegerin war 2019 Jasmin Paris, die das Rennen in einer beeindruckenden Zeit von 53 Stunden, 20 Minuten abschloss.
Vorschau auf den 2. Teil: Vom Exzentriker zum Mythos: Gary "Lazarus Lake" Cantrell und der Barkley Marathons
Gary „Lazarus Lake“ Cantrell ist der unkonventionelle Kopf hinter dem Barkley Marathons. Als Erfinder des Events hat er Läufer immer wieder an ihre Grenzen und darüber hinaus geführt, was den Lauf zu einer wahren Legende macht. Cantrells unorthodoxe Ansichten und sein Blick auf den Marathon haben ihn zu einer ikonischen Figur in der Welt der Ultraläufe gemacht.
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